Verschachtelt, überladen, endlose Ladezeiten − daran scheitern viele Apps, mit denen Museen und Ausstellungen die Rezeption kultureller Inhalte in die digitale Welt verlängern wollen. Ganz anders die App „Tränenpalast“, ein Begleitangebot zur Dauerausstellung „Grenzerfahrungen. Alltag der deutschen Teilung“ in der ehemaligen Grenzübergangsstelle am Bahnhof Friedrichstraße.
Drei Inforeiter auf dem Homescreen, vier Menüpunkte in der Navigationsleiste, mehr braucht diese Anwendung nicht, um den Besuchern einen guten Einstieg in die Ausstellung zu bieten. Langweilig? Weit gefehlt. Die App „Tränenpalast“ zeigt vielmehr, dass intelligent aufbereitete Inhalte das beste Erfolgsrezept für eine ansprechende digitale Vermittlung sind.
Einstiegsvideo: Emotionen statt Langeweile
Schon das kurze Einstiegsvideo ist alles andere als ein dröger Imageclip. Zeitzeugen wie Ulrike Poppe, Rainer Eppelmann und Antje Vollmer berichten von ihren persönlichen Erinnerungen an die beklemmenden Erlebnisse am Grenzübergang Friedrichtstraße. Währenddessen vermitteln ruhige Kameraschwenks im Bildhintergrund erste Einblicke in die Dauerausstellung am historischen Ort.
Audio-Guide mit Podcast-Qualitäten
Das Herzstück der Anwendung besteht aus 17 Audioclips. Neben Basisinformationen über Teilung und Mauer liefern die Hörbeiträge Wissenswertes zu Themen wie Flucht, Ausreise, Passkontrolle, Abschied, Intershop oder Schmuggel. Eingängige Texte, gesprochen von wechselnden Sprechern, Zeitzeugenstimmen und Originalgeräusche lassen die Hörer in den Alltag der geteilten Stadt eintauchen. Jeder Clip ist mit einem Foto der dazugehörigen Ausstellungsstation hinterlegt. Auf diese Weise gelingt den Autoren eine lebendige Audio-Führung, die auch ortsunabhängig erstaunlich gut funktioniert.
Spielerische Wissensvermittlung
Eine sympathische Ergänzung ist das Spiel „Nach drüben durch den Tränenpalast“, ein Mix aus historischem Rollenspiel und Quiz auf einer Oberfläche im Comc-Stil. Ziel des Spiels es, aus Ost-Berlin durch die Ausreisehalle in den Westen zu gelangen. Die Spieler können dabei zwischen fünf Charakteren wählen. Jede Spielfigur muss sich an fünf Stationen den Fragen von Mitreisenden, Grenzern und Stasi-Spitzeln stellen. Ausreisen darf nur, wer alle Fragen richtig beantwortet hat. Anhand verschiedener Situationen wird so das Procedere des Grenzübertritts aus wechselenden Perspektiven veranschaulicht − ein gelungenes Beispiel für Serious Games im Museumsumfeld.
Informationen zum Gebäude, Öffnungszeiten, Anfahrtsbeschreibung und Basis-Empfehlungsmöglichkeiten via E-Mail und Twitter runden die App ab. Vermisst habe ich lediglich Hinweise auf das Führungsangebot vor Ort sowie auf aktuelle Veranstaltungen. Mein Fazit: Die App „Tränenpalast“ ist eine gute Mischung aus funktionalem Besucher-Guide, packender Audioführung und spielerischer Wissensvermittlung.
Die App wird von der Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland herausgegeben und ist für iOS und Android verfügbar, in Kürze auch in englischer Sprache.